Winterfest

Im Frühling des Winters, also im Herbst, denkt der Wohnungs- und Hausbesitzer langsam aber sicher an das Isolieren seines Freiluftzimmers, soweit vorhanden.
Es ist jedes Jahr dasselbe Schauspiel. Die Buschwerke werden aufs Nötigste zurück geschnitten, Gräser „fadenscheinig“ umwickelt, sodass sie sich nicht mehr bewegen und sich fallender Schnee nicht auf ihnen niederlassen kann, da ihre sonst natürliche Wuchsweise unterbrochen würde.
Es soll ja Menschen geben, die für das Grasbändigen satte sechs Arbeitsstunden verlangen, man selbst schafft die Arbeit aber in etwa einem Drittel der Zeit. Gratis. Ohne Ausbildung und Praxiserfahrung. Und wenn man die Experten dann nach der Rechtfertigung der Höhe des Preis befragt, erreicht man, neben einer abwertenden und frechen Antwort, dass man künftig nicht mehr vom Fachbetrieb versorgt wird. Vielleicht sollte ich darüber nachdenken, professionelle Grasbändigerin zu werden?.
Aber nicht nur die Pflanzung bedarf der schützenden Zuwendung vor dem Winterschlaf, auch bewegliche Habe möchte sich in Sicherheit wissen, bevor es ihr kältetechnisch an den Kragen geht.
Also werden Sitzgelegenheiten fein säuberlich gefaltet(wenn möglich), gestapelt und zusammen getragen und vielleicht mit Nässe abweisendem Material abgedeckt. Man möchte ja nicht jedes Jahr eine neue Gartengarnitur kaufen müssen. Gutes, passendes, bequemes und optisch ansprechendes Garten- oder Terrassenmobilar ist nämlich nicht immer leicht zu finden. Deshalb sollte es so lange wie möglich beschützt und gehegt werden.
Topfpflanzen, die nicht winterhart sind, müssen ihr junges Leben lassen und wandern in den Biomüll. Robustere Sorten dürfen noch in ihrem begrenzten Lebensraum bleiben und so lange ihren Besitzer erfreuen, bis auch ihr Leben endgültig verraucht ist und sie sich der vollen „Härte“ des klimawandelnden Winters geschlagen geben müssen.
Andere Arten sind generell stark, trotzen Schnee und Kälte und dürfen deshalb die winterlichen Feiertage und die dunklen Tage und langen Nächte in den Gärten, auf den Gräbern oder Terrassen verbringen, um ein wenig Leben im Winter zu simulieren.
Irgendwie ist es immer wie ein kleiner Abschied von der lebendigen Realität, wenn man den Garten einwintert, finde ich. Dass jedoch in den Zweigen schon wieder neues Leben wartet, vergisst man im Einwinterungsprozess manchmal und könnte sich daher immer wieder vor Augen gehalten werden, um nicht in Trauer zu verfallen.

Kinder sind ja in vielerlei Hinsicht meine absoluten Vorbilder: fragt man die nämlich, welche die schönste Jahreszeit ist, antwortet die Mehrheit, dass das der Winter sei. Fragt man weiter, erfährt man, dass es dann Schnee gibt, man Rodel fahren und Schneemann bauen kann. Nun gut, der hausbesitzende Erwachsene denkt vermutlich in erster Linie an das bevorstehende Schneeschaufeln und Eiskratzen in aller Herrgottsfrühe. Deshalb: eine zweite Schneeschaufel kaufen, und einfach „paarshippen“.
Auch wenn ich jedes Jahr im Inneren ein wenig traurig bin, wenn ich sichtbar Abschied vom vollen (Pflanzen)Leben und vom wunderbaren Sommer nehmen muss, hat es auch was Gutes: im Winter hat man Outdoor viel weniger Arbeit und so wie der Garten ruht, ruhen auch Spaten, Gartenschere und Rechen. Die Nachmittage können nun für andere Tätigkeiten genutzt werden. Alles hat zwei Seiten, suche die positive!

Notiz an mich selbst: im Winter hänge ich das dünne Nervenkostüm in den Schrank und zieh mir mein dickes Fell an!

2 Kommentare

  1. Andrea Vashold

    Mein Garten ist auch Winter ein Paradies für mich! Trotz nicht sorgfältig gestutzter Sträucher und nicht zusammengebundener Gräser kann ich ihn in seiner wilden Pracht genießen. Oftmals durchs Fenster mit einer Tasse Tee in der Hand.
    Danke für deine ins Herz gehenden Geschichten , liebe Isi !!

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